Veränderungen gehören zum Leben dazu. Aber wer hätte Anfang des Jahres gedacht, dass ein Virus solch tiefe Einschnitte in unser Alltagsleben bringen würde. Wir arbeiteten von zu Hause aus, um uns und andere zu schützen. Unser Dienst, sterbende und schwerkranke Menschen und deren Angehörige im persönlichen Kontakt zu beraten und zu betreuen war von heute auf morgen zum Stillstand gebracht worden. Telefon, Email und Brief ersetzten den Kontakt. Wir nehmen uns Zeit, um alle HospizbegleiterInnen anzurufen und nachzufragen, wie es Ihnen und Ihren Familien in dieser Zeit geht. Und wir hören, dass auch der Umgang mit dieser „Krise“ sehr vielfältig ist:
– „ich kann das gar nicht fassen, was da gerade passiert“, alles ist plötzlich anders, alles so still, vieles war so unnötig, das fällt mir jetzt auf…“
– “ ich komm einfach nicht damit zurecht, dass ich nichts machen kann“
– „endlich fallen die Termine aus…“
– „ich bin daheim und habe Zeit mit meinen Kindern“
– “ wenn nicht bald der Kindergarten wieder öffnet, fallen mir keine Spiele mehr ein“, “ meine Kinder spielen hier im Garten und die Nachbarskinder bei denen, ist irgendwie total verrückt“
– „da muss doch was gemacht werden, dass die Leute ohne Begleitung sind, geht nicht, überhaupt nicht“
– “ ich bin mit meinen Enkeln zur Zeit gut beschäftigt“
– “ das, was ich mir vorgenommen habe, wird verschoben, ich habe keinen Einfluss und muss erfahren, dass ich nicht alles planen und machen kann“
– „ich vermisse meine Arbeit und besonders meine ehrenamtliche Arbeit als Hospizbegleiterin“
Zwei ehrenamtliche Hospizbegleiterinnen beschreiben diese Zeit wie folgt:
„Corona all überall:
NEIN – ich will sie nicht wieder hervorholen – die Bilder aus Bergamo, New York, aus dem Elsass und aus allen Kliniken zu Beginn der Pandemie. Ich will das Szenario der „Unwelt“ verdrängen.
Ich habe mit allen mir zur Verfügung stehenden Ressourcen an einer Schutzhütte gebaut, die mich über die sozial-, wirtschaftlich- und emotional-abbröckelnde Heimat gerettet hat, und ich habe mich durch die dunkle Zeit durchgelebt. Wie auch alle anderen, die mit mir so düster empfunden haben.
Ich habe an die Verstorbenen gedacht, deren Kliniktod niemals als mystifizierend oder romantisierend erklärt werden kann und deren Namen nicht einmal Erwähnung gefunden haben in der Umgebung, die ihnen ihr Leben bedeutete. Ich weiß es nicht, aber ich wünschte allen einsam Verstorbenen, dass sie mit ihrer Welt ins Reine gekommen sind. Dass sie sich gelöst haben ohne Schmerz, ohne Leid, ohne Nöte. Oder ist das schon wieder allzu mystifizierend?
JA – vielleicht sind wir härter geworden im Nehmen oder doch viel weicher im Empfinden?“
„Von einem Tag auf den anderen komplett ausgebremst: Im Berufsalltag, Privatleben und Ehrenamt zurückgeworfen auf mich selbst, ohne Termine und Verpflichtungen, die im Alltag für Struktur und Halt sorgen. Plötzlich scheint mir, als könne ich zum ersten Mal nachvollziehen, wie es jemandem geht, kurz nachdem er oder sie eine schlimme Diagnose erhalten hat. Es zieht mir den Boden unter den Füßen weg und Worte können wenig Tröstliches bewirken. Ob die Erinnerung an dieses Gefühl dafür sorgt, dass ich „danach“ eine bessere Hospizbegleiterin sein werde? Eine andere mit Sicherheit.“
Und nun der Weg zurück in einen neuen Alltag. Viel muss umorganisiert werden. Neue Räume für Supervision und Aufbaukurs müssen gesucht werden, damit Abstandsregelungen eingehalten werden können. Neue Konzepte müssen entwickelt werden: so wird aus dem „Trauercafé Lichtblick mit Frühstück“ der „Trauertreff Lichtblick ohne gemeinsames Frühstück“. Neue Formen des Umgangs gesucht werden. Es geht weiter.
Haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen
des Christophorus Hospizverein im Landkreis Ebersberg e. V.